Some people dream of success, while other people get up every morning and make it happen.
Wayne Huizenga
Manche Menschen träumen vom Erfolg, während andere jeden Morgen aufstehen und ihn verwirklichen.
Was ist dein Traum?
Dare to dream
Der Eurovision Song Contest
Leichtfüßig und unbeschwert holte Lena 2010 in Oslo mit tatkräftiger Unterstützung durch Stefan Raab den Pokal nach Deutschland. Mit Acts wie Lordi oder Måneskin konnte der internationale Wettbewerb über die Jahre sein staubiges Schlager-Image abstreifen. Inzwischen feiert man alljährlich musikalische Völkerverständigung, gerne auch selbstironische Ulkeinlagen, knappe Kostüme, Feuerwerk und Diversität. Die ESC-Bühne ist eine besondere. Über 160 Millionen Zuschauer versammeln sich zu diesem Event vor dem Fernseher, nicht Wenige sichern sich Tickets, um vor Ort dabei zu sein. Technisch wird unglaublich viel aufgefahren und das Bühnenbild mit einer Vielzahl an Scheinwerfern und großflächigen LED-Wänden ausgestattet. Doch der ESC ist für aufstrebende Musiker ein gefährliches Pflaster, offenbar gerade für deutsche Acts. Regelmäßig landen unsere Beiträge auf den hinteren Plätzen und der abgewatschte Newcomer kann quasi noch während der anschließenden Pressemitteilung über alternative berufliche Ziele nachdenken. Warum bewerben sich dennoch jedes Jahr Hunderte, um für Deutschland ins musikalische Rennen zu gehen?
Mit Sicherheit schwingt die Hoffnung mit, eher wie Lena, Max Mutzke, Michael Schulte oder Roman Lob abzuschneiden und eben nicht wie Jendrik, S!sters, Ann Sophie oder Levina Trostpreise zu erhalten.
So mancher hält also auch hierzulande trotz allem am großen Traum von der Eurovisions-Bühne fest. Doch woraus besteht dieser Traum eigentlich?
Das offizielle Artwork zum ESC 2019 in Tel Aviv stellte die Frage: „What is your dream?“ / „Was ist dein Traum?“
Wie mein Traum geboren wurde…
Bis 2010 war mir persönlich der Eurovision Song Contest noch nicht so wichtig. Die Auftritte von Guildo Horn und Stefan Raab habe ich schon unterhaltsam empfunden, aber noch habe ich mich in diesen Zeiten nicht als Fan der Veranstaltung gesehen. Doch der Erfolg von Lena im Jahr 2010 zeigte, dass mit einem Sieg das ganze Land in einen Freudentaumel versetzt werden konnte. Die Stimmung war vergleichbar mit der Fußball-Euphorie im Jahr 2006.
Der Gedanke, dem Casting-Aufruf für „Unser Star für Baku“ im Herbst 2011 zu folgen, war ursprünglich eine absolute Schnapsidee. Thomas D von den Fantastischen Vier wurde damals zum Jurypräsidenten auserkoren. Damals wurde noch Wert darauf gelegt, dem jungen Talent einen guten Mentor an die Seite zu stellen. Nun kannte ich aber den Titel „15 Min of Fame“ auf dem Album „Kennzeichen D“ von Thomas D höchstpersönlich.
Der Text beginnt ausgesprochen zynisch. „Sie haben dich gezogen aus Millionen Idioten.“ Die ganze Nummer wirft ein kritisches Licht auf Castingshows und das Mindesthaltbarkeitsdatum der damit entdeckten Talente.
Ich stellte es mir witzig vor, genau diese Zeilen in der Castingbox vorzutragen und somit Thomas D seine eigenen Songzeilen unter die Nase zu reiben. Auf einmal nahm ich die Sache etwas ernster und übte mich bewusst auch im Sprechgesang mit Unterstützung von YouTube-Tutorials etc. Ich habe also all meinen Mut zusammen genommen und bin dann im September 2011 tatsächlich von Fürth nach Köln in die Schanzenstraße gefahren, um in einem Nebenraum des TV total-Studios „15 Min of Fame“ zum Besten zu geben. Ich hatte die Nummer 10197 und wartete mit den anderen Bewerber:innen ungeduldig im Aufenthaltsraum. Endlich war es dann so weit und die schwere Tür ins Studio öffnete sich. Ich stellte mich vor und formulierte, als ich gefragt wurde, warum ich mich für diesen Titel entschied, sogar einen kleinen Vorwurf an den Jurypräsidenten. „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?!“ konterte der Redakteur und ich quittierte achselzuckend mit „Macht ja nix.“ Dennoch habe ich den auswendig gelernten Text runtergerattert, nach der ersten Zeile ertönte ein „Scheiße“ aus dem dunklen Off.
Ich wurde nach dem Refrain vorzeitig mit „Danke“ unterbrochen und bedankte mich ebenfalls, verließ das kleine Studio. Der ganze Tagesausflug mit Bus und Bahn hat etwas Kraft gekostet und natürlich war ich vor der Fernsehkamera etwas nervös. Eigentlich war ich stolz, das Risiko eingegangen zu sein. Doch der Auftritt hatte einen faden Beigeschmack. Er war humorvoll und ironisch, aber nicht authentisch. Wenige Wochen später bekam ich kalte Füße. Die Ausstrahlung der peinlichsten Bewerber:innen im Rahmen von TV total rückte immer näher. Ich erinnerte mich an Schilderungen aus dem Buch Sex, Drugs & Castingshows (kein Affiliate-Link!). Auch nur ein bisschen (zweifelhafter) Ruhm kann anstrengend werden, wenn man eigentlich unbehelligt im Fast Food-Restaurant in der Schlange warten möchte. Ich befand mich zu dem Zeitpunkt in einem Hotel in Hamburg. Meine Fantasie spielte mir einen Streich nach dem anderen. Ich wolllte nur noch die Reißleine ziehen und rief bei Brainpool an, um die Ausstrahlung meines Auftritts in der Casting-Box unterbinden zu lassen. In der Antwort per E-Mail durch den Anwalt hieß es:
„Sie möchten nicht, dass Ihr Auftritt beim Casting für die Produktion „Unser Star für Baku“ veröffentlicht wird, was wir sehr bedauern. Ich habe daher heute bei uns im Haus veranlasst, dass Ihr Auftritt nicht ausgewertet wird.“
Zu diesem Zeitpunkt wurde mir klar, dass die Sache tatsächlich in die Sendung gekommen wäre, darüber hinaus aber nichts passiert wäre. Und bis heute frage ich mich, warum ich in dieser Angelegenheit so ängstlich war. Nach einiger Zeit fühlte es sich nach einer verpassten Chance an. Es war kein Knüller in gesanglicher Hinsicht und ich hatte mich sicher nicht für die Shows qualifiziert. Aber vielleicht wäre der Gag ja so etwas wie ein „Raab der Woche“ geworden. Wäre diese Ausstrahlung wirklich so nachteilig für mich gewesen? Ich werde es nie erfahren.
So merkwürdig die Casting-Erfahrung bei „Unser Star für Baku“ auch war, dennoch habe ich seit diesem Zeitpunkt an dem Gedanken Blut geleckt, dass ein Auftritt beim Eurovision Song Contest ein einzigartiger Lebenstraum wäre. Irgendwie fühlte sich meine eigene Absage wie eine verpasste Chance an und ich schwor mir, nie wieder bei so einer Gelegenheit den Schwanz einzuziehen.
Ich lernte außerdem, dass man mit Produzent:innen und Redakteur:innen nicht direkt anfangs schon diskutieren , sondern zu jedem Zeitpunkt Zuverlässigkeit und Professionalität signalisieren sollte.
Bleib hungrig, bleib töricht
Ab Januar 2015 habe ich mich im Menderes-Style hartnäckig so gut wie jedes Jahr als Kandidat beworben. Obwohl ich als Musiker ernster genommen werden wollte, waren meine Versuche, bei der Bewerbung alles – angefangen bei Text, Komposition und Musikproduktion bis hin zum Musikvideo vor Greenscreen – selbst in die Hand zu nehmen, nicht von Erfolg gekrönt und wurden obendrein mit Spott von Kolleg:innen und Online-Bekanntschaften belohnt.
Ich „komponierte“ damals zwei Lieder: Stay hungry, stay foolish und The Mountain Top. Dabei zitierte ich Teile einer sehr bekannten Rede von Steve Jobs und philosophierte darüber, dass Probleme auf einem Berggipfel viel kleiner erscheinen.
Viele stellten mir die Frage, ob diese Lieder Satire oder purer Ernst seien. Die Antwort kurz zu fassen, viel mehr immer schwer. Natürlich waren mir diverse Defizite in Sachen Gesang oder Musikproduktions-Know-How absolut bewusst. So hatte ich bis dahin u. a. keinerlei Erfahrung mit dem Mixing und Mastering von Songs. Ich habe einfach in Logic Pro mein Ding gemacht und dabei so manches Instrument in der Lautstärke völlig falsch betont. Damals nahm ich mir auch die Freiheit, nicht alles 100%ig perfekt machen zu müssen. Mit einem Augenzwinkern sollte man die Ergebnisse betrachten. Aber dennoch war es mir auch furchtbar ernst damit, die Sache in der Umsetzung so gut zu machen wie es mir möglich war. Ich hatte einige Wochen Arbeit in die Bearbeitung gesteckt und mir von hinten bis vorne sehr viel überlegt. Genau überlegt. Ich brachte viel Liebe zum Detail auf. Ich wollte, dass man diesen „Spaß“ ernst nimmt. Ich wollte im Grunde wirklich auf die Bühne. Und langweilig wäre es auf keinen Fall gewesen. Unterhaltung war mein Ziel. Ich wusste und konnte es eben einfach nicht besser.
Insbesondere bei „The Mountain Top“ ließ ich meine Heimat anfließen, hatte im Januar aber nicht die Möglichkeit, in Lederhose mit der Kamera bewaffnet wirklich auf den Berg zu gehen. Also drehte ich auch hier vor Greenscreen.
Ich werde mich wohl nie dran gewöhnen, dass gerade in diesem Metier kreative Experimente argwöhnisch beäugt statt auch nur ansatzweise respektiert werden. Aber im Showgeschäft sollte man sich über negative Rückmeldung nicht ärgern, der Realität immer wieder auf’s Neue ins Auge sehen und sich bewusst machen, dass gerade hier nur die Harten in den Garten kommen.
„Ich sag: Bring Talent, hab’n dickes Fell und hab Geduld
Oder du tanzt zusammen mit all den Anderen den Axel Schulz!
Denn es ist hart, so oberhart im Showgeschäft…“„Showgeschäft“, Jan Delay
Ab diesem Zeitpunkt hielt ich meine mit viel Liebe zum Detail produzierten Musikvideos unter Verschluss, je nach Anforderung entweder in der Datenschutz-Einstellung „Nicht gelistet“ oder „Privat“. Lediglich die relevanten Entscheider:innen – u. a. das Eurovision-Panel – sollten in den Genuss kommen, meine Aufzeichnungen entweder amüsant, spannend oder ungenügend zu finden.
Tretbootfahren und Charpentiers Te Deum als Pop
Im Herbst 2015 reichte ich zwei Musikvideos für den ESC ein.
„vis-à-vis“ wurde vom Betreiber der Tretbootanlage als „Schlagerrap“ bezeichnet. Mir selbst gefällt diese Kategorie bis heute nicht sonderlich. Die Zeilen des Refrains lauteten:
„Ich hab‘ nur dich im Kopf und diese Melodie, suchte ’nen Deckel für den Topf und er passte vis-à-vis…“ Zwei gute Bekannte waren so lieb, mich beim Dreh zu unterstützen, den wir sogar mit offizieller Genehmigung im Dutzendteich in Nürnberg durchführten.
Mit „Willkommen in Europa“ griff ich das beherrschende Thema des Sommers 2015 auf, die Flüchtlingskrise. Einzelne Songzeilen vergangener ESC-Beiträge kombinierte ich mit der Eurovisions-Hymne „Te Deum“. Abgesehen davon, dass man mir mit dieser Attitüde natürlich lupenreine Propaganda unterstellen konnte, war es musikalisch und gesanglich keine Glanzleistung. Trotzdem zaubert mir dieses Video immer noch ein Lächeln ins Gesicht.
Autodidaktisches Gesangstraining
Im darauffolgenden Jahr wollte ich vor allen Dingen eine Sache ändern: Die gesangliche Qualität. Ich nutzte sogar Mittagspausen von der Arbeit, um mich in den naheliegenden Wald zurückzuziehen und mit den Gesangs-Tipps von Eric Arceneaux auf YouTube den Titel „The One“ von Kodaline zu üben. Wieder und wieder. Die Videos sollten ebenfalls authentischer werden. Ich filmte mich vor dem Mikrofon, sang die gesamten Songs am Stück und ohne Hilfe von Melodyne oder Autotune. Wieder und wieder und wieder.
Auch „Erkläre mir die Liebe“ von Philipp Poisel und „Lifesaver“ von Sunrise Avenue habe ich auf diese Weise aufgenommen, „nicht gelistet“ auf YouTube gestellt und meine Cover-Versionen eingereicht.
Express yourself – 2017
Wahrscheinlich hat mich die Songzeile „Trying to be a superstar like everybody else“ („Ich versuche wie jeder andere ein Superstar zu sein“) dazu verleitet, „Express yourself“ von Labrinth (YouTube-Link) im Herbst 2017 aufzunehmen. Im schwarz-weiß gehaltenen Video performte ich in Anzugjacke und Unterhose in den eigenen vier Wänden auf höchst kuriose Weise. Das Video war so schräg, dass es mir etwas später mal den Dialog mit den Social Media-Gagschreibern der heute-show ermöglichte. Leider wurde nach einem kleinen Test auch aus der Witze-Autoren-Karriere nichts. „But being myself is something I do well“ („Ich selbst zu sein ist etwas, das ich gut mache.“) ist meine Lieblingszeile aus diesem Song.
Für „Can’t Help Falling In Love“ von Elvis Presley habe ich einen Teil meines Kleiderschranks mit Akustik-Noppenschaumstoff ausgekleidet, um möglichst Tonstudio-ähnliche Bedingungen zu haben. Die tiefere Tonlage des Songs lag mir mehr. Die ESC-Redaktion hat sich trotzdem auch hier nicht gemeldet.
Und es wär‘ zu schön, um es nicht zu riskieren – 2018
Mit „Du Du Du“ hatte ich wieder eine eigene Komposition in petto und verfolgte im dazu gehörigen Musikvideo mehrere Ideen. Im Text stellte ich oft die Frage, ob ich dann wirklich wichtig bin, wenn erst einmal eine Straße nach mir benannt ist oder man mich „auf eine Bühne lässt, wie beim Eurovision Song Contest“. Im Refrain wechselte ich häufig zwischen Englisch und Deutsch.
Ich wollte aber nicht wieder ausschließlich mit einer ulkigen Nummer ins Rennen gehen. Man durfte durchaus mit mehreren Titeln versuchen, das Eurovision-Panel auf sich aufmerksam zu machen. Daher entschied ich mich, „An Wunder“ von Wincent Weiss (YouTube-Link) zu covern und drehte im Nürnberger Reichswald in aller Frühe ein zusätzliches Musikvideo. Für diese beiden Bewerbungsvideos habe ich sehr viel Energie aufgebracht. „An Wunder“ war aber definitiv zu hoch für mich. Kein Wunder, dass sich niemand meldete. Auch diese Videos zeigte ich höchstens einer handvoll guter Freunde.
Q&A mit Pellander und Schreiber
Anfang des Jahres 2019 stellten sich der damalige Head Of Delegation Christoph Pellander und NDR-Unterhaltungskoordinator Thomas Schreiber den Fragen der ESC-Bubble.
Auch meine Frage, die auf den Beginn des nächsten Bewerbungsprozesses abzielte, wurde im Live-Stream auf Facebook beantwortet. Marcel Stober (Instagram-Link) moderierte.
Der Traum zum Greifen nah im Studio Berlin-Adlershof
Mit einem ehemaligen Kommilitonen besuchte ich Anfang 2019 den deutschen Vorentscheid für den Eurovision Song Contest 2019 im Studio Berlin-Adlershof. Ich wollte nicht nur die Show „Unser Lied für Israel“ vor Ort genießen, sondern auch eine Vorstellung davon bekommen, welchen Druck die Kandidat:innen live standhalten müssen. Lena war als Interval Act „Thank You“ (YouTube) performt. Obwohl der Gesang wohl zu großen Teilen Playback war, löste sie im Studio wie in guten alten Zeiten Begeisterung aus. Der Applaus des Publikums hielt bei Lena meiner Meinung nach sogar länger an als bei allen Beiträgen, die zur Auswahl standen. Der ganze Wochenend-Trip nach Berlin war ein echtes Highlight für mich.
Im Frühjahr 2019 habe ich dann 2 Cover als Bewerbung eingereicht. „Shallow“ von Lady Gaga visualisierte ich mit einer Slow-Motion-Aufnahme in der Badewanne, um die dramatische Atmosphäre des Songs zu unterstreichen.
Außerdem interpretierte ich „Küssen kann man nicht alleine“ von Max Raabe und drehte wieder ein Video vor Greenscreen. Dadurch war es auch ganz leicht möglich – bezugnehmend auf den Text – Staffel-Stab-Übergaben und Gebete im Beichtstuhl zu inszenieren.
Diese beiden Videos waren meine vorläufig letzten Bewerbungen beim deutschen ESC-Vorentscheid.
Lena und Thomas Schreiber in Ansbach
Viel zu spät erfuhr ich davon, dass Lena eine Auszeichnung der HS Ansbach erhalten würde. Ich beendete also am 2. Juli 2019 irrsinnig spontan und vorzeitig meinen Arbeitstag in Moorenbrunn und raste am Hauptbahnhof schnellstmöglich zur S-Bahn Richtung Ansbach. Ausgerechnet auf „meinem“ ehemaligen Campus sollte die ESC-Gewinnerin einen Preis für ihr Engagement gegen Mobbing erhalten. Ein Hörsaal wurde feierlich für ein Jahr nach ihr benannt. Es waren auch die Presse, das Fernsehen und Dorothee Bär anwesend.
Auch NDR-Unterhaltungskoordinator Thomas Schreiber reiste zu diesem Anlass an und würdigte Lenas Selbstbewusstsein und Natürlichkeit im Kreuzfeuer der Öffentlichkeit.
Ich versuchte, möglichst viel einzufangen. Das hier ist meine Aufnahme der Ehrung:
Es war ein unwirklicher Moment für mich. Im Sommer 2004 wurde ich an gleicher Stelle beim Sommerfest der Fachschaft zuerst dazu animiert unbedingt aufzutreten, um anschließend verspottet und von der Bühne gebuht zu werden. Ich hatte eine eigene Interpretation zum Titel „Fuck It (I Don’t Want You Back)“ von Eamon vorbereitet. Wenige Monate zuvor machten meine ersten Musikvideos auf dem Campus die Runde. Ich wollte diesem Gespött eigentlich etwas entgegen setzen, aber das ging gründlich in die Hose. Irgendwer muss das Publikum auch eingeweiht haben, dass ich Britney Spears-Fan sei. Zumindest gab ich diese Information damals auf meiner Website preis. Ich staunte nicht schlecht als irgendwann das gesamte Zelt im Sprechchor „Britney Spears … Britney Spears“ grölte. Der „Fuck it“-Song war noch nicht fertig, ich aber schon. Ich brach ab und verließ schleunigst die Bühne. Ich bin vor dem Zelt in Tränen ausgebrochen und klagte mein Leid in die Nacht.
Jahre später sitze ich an gleicher Stelle im Publikum und Lena nimmt den Anti-Mobbing-Preis entgegen. Lena macht auch keinen Hehl draus, dass sie Britney Spears-Fan ist.
Wenigstens eine Sache haben Lena und ich also gemeinsam.
Über Geschmack lässt sich streiten, schon gar bei Musik. Ich war Teenager als Miss Spears die Bühne betrat. Ich habe nicht nur CDs und DVDs gesammelt, sondern auch Höhen und Tiefen ihrer turbulenten Karriere akribisch im Internet verfolgt, Awards mitgefeiert und bei Paparazzi-Debakeln mitgelitten. Britney war zu ihrer Zeit ein Phänomen. Ja, Christina Aguilera war ganz klar die bessere Sängerin. Aber mich fesselte bei Britney eher das Gesamtpaket, die Performances, die Musikvideos, die Dokumentationen… Egal. Nur Fans verstehen das. Gell, Lena?
Als die Preisverleihung und die Einweihung des Saals vorbei waren, verließ ich den Ansbacher Campus Richtung Brücken-Center. Dort bemerkte ich Thomas Schreiber im Gespräch mit einer Studentin. Ich näherte mich den beiden und merkte natürlich, dass ich in dieser Situation unerwünscht war. Da aber sämtliche FAQ-Städte-Trips abgesagt wurden, versuchte ich an dieser Stelle meine Glück, mit dem damals Hauptverantwortlichen ins Gespräch zu kommen. Er meinte, ich würde nach dem nächsten Austragungsort des ESCs fragen und gab den Tipp, dass es Rotterdam werden könnte. Das war aber nun überhaupt nicht, was mich interessierte. Er faselte auch irgendwas davon, dass die Einnahmen groß genug wären. Der letzte Platz für Deutschland schien ihm vollkommen egal. Eigentlich wollte ich lediglich wissen, ob meine alljährlichen Bewerbungen überhaupt jemandem aufgefallen sind. Es war einfach eine blöde und peinliche Situation. Ich entschuldigte mich und ließ ihn endlich zum Parkplatz gehen. Wer sich in all den Jahren nur oberflächlich mit dem Eurovision Song Contest auseinandersetzte, wird mit dieser Personalie nicht viel anfangen können. Für mich war es die Person, dessen Entscheidungen am meisten Gewicht in dieser Angelegenheit hatte. Und ich merkte an dieser Stelle, dass es keine Wege gab, zu „cheaten“. Die Begegnung mit Schreiber war leider sehr enttäuschend. Heute zeichnet sich Alexandra Wolfslast beim NDR für die Teilnahme am Eurovision Song Contest verantwortlich. Ich würde aber nie wieder versuchen, das direkte Gespräch zu suchen.
Meine persönliche Geschichte mit dem Eurovision Song Contest interessiert da draußen ganz sicher auch kaum jemanden. Einige wünschen sich unbedingt die Metalcore-Band „Electric Callboy“ als Vertreter unseres Landes beim internationalen Musikwettbewerb. In dieser Hinsicht entstand ein echter Hype und – nach Absage an die Band – massive Kritik durch die Fans am NDR, der offenbar nur radiotaugliche Acts zum ESC schickt.
Real Talk mit einer Grand Prix-Sängerin
Ich hatte übrigens mal die völlig überraschende Möglichkeit, mit Chris Kempers über ihre Teilnahme am Eurovision Song Contest 1990 im Duett mit Daniel Kovac zu sprechen. Ich erinnere mich, dass sie an Ralph Siegel kein gutes Haar ließ, da dieser weder Kontakt pflege, noch sie an Ausschüttungen bei Neuauflagen des Songs „Frei zu leben“ (YouTube) beteilige. Den ganzen Abend das dicke Make-Up tragen zu müssen war wohl auch nicht ihr Ding. Sie war unglaublich nett und offen. Insgesamt riet sie natürlich durch ihre Erfahrungen von der Branche ab.
Schade, dass sie nicht mehr Beachtung für ihre musikalischen Leistungen erfuhr.
Hold on to your dreams?
Ich denke, jeder sollte reich und berühmt werden und alles tun, wovon er jemals geträumt hat, damit er sieht, dass das nicht die Lösung ist.
Jim Carrey
Die Büchse der Pandora ist geöffnet. Meinen Traum von einem Auftritt beim Eurovision Song Contest werde ich wohl nie mehr völlig begraben können. Ich mag nicht die beste Stimme haben. Diese hatten aber Stars wie Lena, Dieter Bohlen, Britney Spears oder Madonna auch nicht unbedingt, haben aber trotzdem den Fuß in die Tür bekommen und beeindruckende Karrieren hingelegt. Stars wie diese haben vor allem Bühnenpräsenz, Ausdauer und Charisma. Es geht vielleicht auch mehr darum, einen Funken zu erzeugen und auf’s Publikum überspringen zu lassen. Identifikation ist oft mehr wert als der gerade Ton und die klassische Gesangstechnik. An diesen Ideen festzuhalten bedeutet für mich auch, im Alltag motiviert und lebenslustig zu bleiben. Auftritte, Applaus, Ruhm, Geld… all das kann ein verletztes Herz nicht heilen. Aber diesen Traum zu jagen, sorgt in meiner Gegenwart für Motivation, Begeisterung und Antrieb, mich kreativ auszudrücken und das Beste aus mir herauszuholen. Inspiration für eine derart sture Haltung liefern u. a. Speaker wie Gary Vaynerchuck.
Die Frage muss nicht zwangsweise lauten, ob ich der Geeignetste bin, sondern hartnäckig und verrückt genug, um weiterhin daran zu glauben. 😉
Der große Traum Schauspielerei
„Nur als sie meinten „Träum mal weiter“, hab‘ ich weiter geträumt“
aus „King“ von Kool Savas
Die Schauspielerei fasziniert mich seit meiner Kindheit
Ich war 7 Jahre alt als ich zum ersten Mal mit einem richtigen Schauspieler sprechen konnte.
Nach der Aufführung der „Pfingstorgel“ in Frasdorf in der Lamstoahalle, die meine Mutter als Organistin musikalisch begleitete, konnte ich ein paar Worte mit Jörg Hube (†) wechseln. Ich kann mich genau erinnern, dass er mir damals eindringlich von der Schauspielerei abgeraten hat, als ich meinen Traum mitteilte, später einmal Schauspieler zu werden.
Ich solle lieber etwas Anständiges lernen. Ich konnte mir damals überhaupt nicht vorstellen, was an diesem Beruf schlecht sein könnte. Heute weiß ich natürlich mehr, ohne wirklich in diesem Bereich Fuß gefasst zu haben. Die Schauspielbranche ist ein unglaublich hartes Pflaster und hat hinter den Kulissen selten etwas von dem Glamour, der gerne bei Preisverleihungen inszeniert wird. Das ist alles Makulatur. Und trotzdem scheint die Schauspielerei im Kern eine Leidenschaft zu erfordern, die unzählige Menschen in den Bann zieht.
Ende der 90er habe ich mit meiner Digital8-Videokamera alles aufgezeichnet, was mir vor die Linse kam. Bei einer Geburtstagsfeier war Maximilian Brückner bei uns zu Gast in unserer guten Stube und streichelte unseren Hund Moritz.
Ab 2001 absolvierte er auf der renommierten Otto-Falckenberg-Schule eine Schauspielausbildung. „Männer wie wir“ habe ich mir 2004 ganz allein im Ansbacher Kino angesehen und war verblüfft, dass er es nun also tatsächlich auf die Leinwand geschafft hatte. Seither habe ich seine Schritte in der Branche gerne beobachtet. Als ich Maximilian Brückner bei den Dreharbeiten zu Hindafing 2 auf dem Bavaria Filmgelände als Komparse wieder traf, konnte er mich auf Anhieb zuordnen, obwohl er mich bestimmt über 15 Jahre nicht mehr gesehen hatte. Man merkte ihm an, dass er sich nicht scheut, dem Regisseur Vorschläge zu machen oder ihn spüren zu lassen, wenn er etwas anders umsetzen würde. Ich war hellauf begeistert, in den fertigen Aufnahmen aber dann leider kaum zu erkennen.
Nun wird man aber nicht durch zwei Begegnungen mit Schauspielern gleich heiß auf den Job. Neben großen Blockbustern war ich auch immer wissbegierig, wie die deutsche Film- und Serienlandschaft funktionierte.
Ein Herz für Daily Soap-Darsteller
Während meinem Praktikum bei Radio Galaxy in Rosenheim wurde ich auch mal zu einer Veranstaltung rund um die Rosenheim Cops geschickt, vermutlich im Frühjahr 2002. Zu meiner Überraschung waren dort im Kino CITYDOME auch Marienhof-Darsteller für Moderationen etc. eingesetzt. Leonore Capell und Michael Jäger in die Augen sehen zu können, war für mich damals etwas ganz Besonderes und Neues. Dass ich in dem Moment völlig „star struck“ war, fiel Jäger auf, denn er machte prompt einen lockeren Spruch im Sinne von „Ja, der bin ich wirklich.“ Auch Daily Soap-Darsteller ernteten damals meinen Respekt. Wenn es Einblicke hinter die Kulissen gab, malte ich mir aus, wie ich so einen Arbeitsalltag wohl bewältigen würde. Als Komparse war ich dann auch mal am Set von „Sturm der Liebe“ und konnte dabei Topmodel und Dschungelcamperin Larissa Marolt beobachten, wie sie routiniert ihre Szenen aufgenommen hat. Sie hatte natürlich keine Zeit für uns Komparsen.
Durch einige Zufälle hatte ich auch die Ehre, die Trauung von Tobias Rosen zu besuchen. Er hat sich erfolgreich vom Darsteller zum Produzenten entwickelt. Ich glaube nicht, dass ich ihm in der kurzen Zeit vermitteln konnte, dass ich ihn auch um seine Erfolge als Daily Soap-Darsteller beneidete. Ich verstehe nicht ganz, warum die Branche hier so knallhart Stempel verteilt und in Schubladen denkt. Til Schweiger wird wohl eine der großen Ausnahmen bleiben.
Vor der Kamera im Studium
Im Multimedia und Kommunikation-Studium habe ich mich bereitwillig für Kurzfilme und Studienarbeiten mit der Kamera angeboten, vor und hinter der Linse. Ich gewann keine Preise für meine Ambitionen, aber bei der Kurzfilmnacht gab es doch die Rückmeldung, dass die Häufigkeit meiner Auftritte aufgefallen sei. Zu erwähnen sind hier für Insider „Irren ist tödlich“ und „A Story Never Told“.
Als ich mich dann 2008 selbstständig machte, wurde der Traum von der Schauspielerei immer unrealistischer. Ich hätte mich ja bei Schauspielschulen bewerben können, aber das solidere Studium mit vernünftigen Perspektiven für meine berufliche Zukunft war ganz klar „MuK“ an der HS Ansbach.
Die Komparserie – Wenige Sekunden Fame
Ab 2017 dann wurden meine eingeschlafenen Ambitionen neu geweckt. Anfangs wollte ich mich einfach nur beim Frankentatort als Komparse bewerben, doch dann landete ich dadurch in der Datenbank einer Münchner Komparsenagentur und bekam auch weitere Angebote, meistens für Drehs in München und Umgebung. Mein erster Auftritt im Kinofilm „Trautmann“ hat mich dann vollends für die Komparserie begeistert. Für mehrere Jahre nahm ich einige Gelegenheiten wahr, auf diese Weise echte Film- und Serienluft schnuppern zu können. Als Komparse muss man zwar in Kauf nehmen, dass man zur untersten Kaste am Set gehört. Doch die Begegnungen mit Darstellern, Produzenten und Regisseuren – sind sie auch nur zufällig und beiläufig – werden dann zu unvergesslichen Erinnerungen.
Trautmann war der Auftakt und eigentlich auch gleichzeitig der Höhepunkt dieser ganzen Komparsen-Laufbahn. Kein anderer Job danach war je wieder so aufregend. Ich stand in einer Szene direkt neben Hauptdarsteller David Kross. Auch im offiziellen Trailer war genau diese Aufnahme für wenige Sekunden zu sehen. Dadurch landete das Bild auch im Bericht der tagesthemen und auf der Leinwand beim 40. Bayerischen Filmpreis 2018. Zur Begegnung mit Regisseur Marcus H. Rosenmüller komme ich später noch einmal.
Acting Workshop = Schauspielschule?
Im Januar 2019 kam dann von der Agentur per Mail eine Einladung zu einem Workshop mit Schauspieler Daniel Urban.
Das spannende Wochenende in München bildete den Auftakt zu mehreren Workshops rund um’s Spiel vor der Kamera. Besonderen Schwerpunkt legt Daniel Urban auf Wahrhaftigkeit und psychologisch-realistische Schauspieltechniken, u. a. die Meisner-Methode. Man soll sich im Hier und Jetzt dem „Wahrspieler“ nähern. Dabei können durchaus auch mal Tränen fließen, wenn mit eigenen Erfahrungen und möglichen Verletzungen konfrontiert wird.
Gleichzeitig überwindet man sich zu Übungen, die überraschen, emotionalisieren und befreien. Eine Schauspielausbildung können ein paar Workshop-Tage natürlich nicht wett machen, jedoch können sie erste Eindrücke vermitteln, worum es dem Schauspieler letztlich geht: Wahrhaftigkeit im Schauspiel. Echte Emotionen in einer fiktionalen Umgebung oder Rahmenhandlung.
Buch-Tipps
Literatur, die ich mir in dieser Zeit besorgt habe:
• Truth, Susan Batson (amazon.de-Link, jedoch kein affiliate)
• The Power of the Actor, Ivana Chubbuck (amazon.de-Link, jedoch kein affiliate)
Ich hatte mir durch die Teilnahme einiges versprochen. Es kam dann auch endlich zu einer Buchung für eine Kleindarsteller-Rolle, jedoch auch wieder ohne Text. Die Gage war aber endlich etwas besser und mein Spiel nicht unscharf im Hintergrund zu sehen, sondern so wahrnehmbar, dass mich Bekannte nach der Ausstrahlung in der ARD anriefen.
Die Rolle war eine Art Fußball-Manager-Assistent in der Serie „Toni, männlich, Hebamme“. Gedreht wurde im Juli 2019.
Das Ende der Komparsenkarriere
Erst im Frühjahr 2020, zu Beginn der Corona-Krise, fing ich an, meine Karriere als Komparse in Frage zu stellen. Zum Fitting und Butler-Training für den Felix Krull-Film bin ich noch nach München gefahren. Doch es kam zu Unstimmigkeiten und ich löschte meinen Eintrag in der Datenbank. Der Aufwand stand einfach nicht mehr im Verhältnis zu dem, was ich davon hatte. Mindestlohn-Gagen, nie eine Zeile Text, meistens ein Draufzahl-Geschäft durch Bahn-Tickets und Hotel-Übernachtungen… das war auf die Dauer einfach zu viel. Ich möchte nicht ausschließen, dass ich mich eines Tages wieder dort anmelde. Meine Hoffnung war auch, mal im Frankentatort oder bei anderen Produktionen in Franken mitzumischen.
Regisseure – Idole aus der Filmszene
Marcus H. Rosenmüller ist einer der nettesten Regisseure. Er nahm sich bei einer Trautmann-Kino-Tour (Cinecitta Nürnberg) nach der Aufführung noch Zeit, um mit den Komparsen zu plaudern und Autogramme zu geben. Das passiert nicht oft. So entstand eine tolle Erinnerung, nicht nur am Set.
Für mich ist James Cameron der weltweit beeindruckendste, weil perfektionistischste Regisseur. Seine Blockbuster machen neugierig auf Making Of-Dokumentationen und Hintergrundberichte, auch in Buch-Form. Ich bin Fan.
Irgendwie verbunden fühle ich mich auch mit Werner Herzog. Viel zu spät habe ich in Erfahrung gebracht, dass er in einem Haus wenige 100 Meter entfernt von dem meines Onkels in Sachrang und ca. 10 km weit weg von meinem Elternhaus aufwuchs. Er spricht immer wieder davon, wie ihn die karge Nachkriegszeit in diesem Dorf prägte. Aufmerksam verfolgt habe ich seine Dokumentarfilme, die Masterclass und diverse Biografien mit Wissbegier gelesen. Einmal ein Wort mit ihm wechseln?
Ich träume weiter…